Mit dem Wissen vorsichtig umgehen

"Ein erster Nutzen der Wissenschaft ist jedem vertraut: die Tatsache, dass wir dank wissenschaftlichen Kenntnissen alles mögliche tun und machen können. Ist das, was wir bewirken, gut, gereicht unser Tun natürlich nicht nur der Wissenschaft, sondern auch unser Moral, die uns gute Arbeit leisten ließ, zur Ehre. Die Wissenschaft verleiht uns die Macht zum Guten oder Bösen - eine Weisung, wie diese Macht zu nutzen sei, erteilt sie uns nicht. Diese Macht ist eindeutig von Wert, auch wenn sie durch das, was wir mit ihr anstellen, negiert werden kann.
  Eine überzeugende Formulierung dieser allgemeinen menschlichen Problematik lernte ich bei einer Reise nach Honolulu kennen. In einem der dortigen buddhistischen Tempel erläuterte der Führer uns Touristen ein paar Grundgedanken der buddhistischen Religion und erklärte zum Schluss, er wolle uns etwas mit auf den Weg geben, was wir niemals vergessen würden - und ich habe es auch nicht vergessen. Es war ein buddhistischer Sinnspruch, der besagte:

Jedem Menschen wird der Schlüssel zu den Himmelspforten gegeben; doch dieser Schlüssel öffnet auch das Höllentor.

Worin also liegen Sinn und Nutzen des Schlüssels zu den Himmelspforten? Eins steht fest: Ohne klare Weisung, welches Tor in den Himmel und welches in die Hölle führt, kann der Schlüssel ein gefährliches Ding in unseren Händen sein.
  Doch der Schlüssel besitzt offensichtlich Wert: Wie könnten wir ohne ihn Zugang zum Himmel erlangen?"
Aus: Richard P. Feynman - "Kümmert Sie, was andere Leute denken?"
Kapitel: "Vom Sinn und Nutzen der Wissenschaft"
(Öffentliche Ansprache auf der Herbsttagung 1955 der Nationalen Akademie der Wissenschaften)